Es folgen Absätze aus der Dissertation der Wirtschaftsjuristin Frau Dr. iur. Michelle Michel unter Angabe der Seite.
Quelle: https://kobra.uni-kassel.de/handle/123456789/14112
Seite 104
Durch die Auflockerung der Beziehung der Beitragspflicht zur öffentlich-rechtlichen Leistung verschwimmt die Trennungslinie zum wichtigsten Finanzierungsinstrument des Grundgesetzes. Die Verbindung dieser Tatbestände und die damit einhergehende individuelle Finanzierungsverantwortung darf nicht durch allgemeine Vermutungen und Typisierungen verschwinden.547
Die fehlende Präzision in der gesetzlichen Ausgestaltung von Beiträgen wurde zum Anlass genommen, diese Abgabenart lediglich als „Etikett“548 zur Gebühr und Steuer zu sehen. Dem Beitrag wurde sein eigenständiges Bestehen als verfassungsrechtliche nichtsteuerliche Abgabe aberkannt. Wird eine Abgabe für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben, läge eine Gebühr vor. Andernfalls wäre die Abgabe als Steuer einzuordnen. Der Beitrag sei lediglich als eine Unterform der Gebühr oder Steuer zu sehen.549 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Wie bereits vorstehend erwähnt, sehen sowohl die Rechtsprechung550 als auch der Großteil der Literatur551 die Beiträge als neben den Gebühren bestehende Unterform der Vorzugslasten. Die Erhebung des Beitrags ist im Gegensatz zu Steuern, im Speziellen Zwecksteuern, auf Personen beschränkt, die einen individualisierbaren wirtschaftlichen Vorteil durch das Bereitstellen einer öffentlich-rechtlichen Leistung erlangen.
Seite 105
Der Beitragsschuldner muss sich gegenüber der Allgemeinheit der Steuerzahler abheben, indem er eine „räumliche Nähe“ zur öffentlichen Einrichtung oder Leistung aufweist. Die räumliche Nähe wird durch ein vorgefundenes, objektives Interesse des Beitragsschuldners an der Errichtung oder Nutzbarkeit der öffentlichen Einrichtung begründet.553
Seite 106
Für die Einordnung einer Abgabe als Beitrag kann der bloße mittelbare Zusammenhang zwischen der Abgabenpflicht und der öffentlich-rechtlichen Leistung nicht als ausreichend angesehen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar eine solche Verbindung für die Zulässigkeit der Beitragserhebung als genügend betrachtet.561 Allerdings ist in jüngster Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags festzustellen, dass an einem bloßen mittelbaren Zusammenhang nicht mehr unbedingt festgehalten wird.562 Der Vorteil der beitragspflichtigen Personengruppe kann nicht fingiert werden oder auf bloße Vermutungen zurückgehen. Eine bloße Fiktion des Vorteils würde zu einer „gewaltsamen Dehnung und Verbiegung der Beitragsstrukturen“563 führen und den Beitragsbegriff in Konturenlosigkeit verschwimmen lassen.564
Seite 112
Während die Gebühr einen tatsächlich entstandenen Vorteil oder tatsächlich verursachte Kosten aus der Nutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung voraussetzt, deckt die Beitragserhebung schon die Möglichkeit der Inanspruchnahme und damit das bloße Bereithalten einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung ab.
Seite 115
Die mit der Sonderabgabe belasteten Abgabeschuldner müsse eine „homogene Gruppe“ darstellen, die sich somit durch ihre gemeinsame Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzen ließen. Diese homogene Gruppe müsse eine Sachnähe zum Abgabenzweck aufweisen, die sich durch eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der nichtsteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe auszeichne. Die geforderte Sachnähe dürfe nicht als ein lediglich formales bzw. machbares Kriterium verstanden werden.
Seite 283
Sonderabgaben unterliegen engen Rechtfertigungsgründen. Die Sonderabgabe dient der Verfolgung eines Sachzwecks, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Sie wird ausschließlich von einer von der Allgemeinheit abgrenzbaren Gruppe erhoben und das Aufkommen wird entsprechend gruppennützig verwendet.
Seite 284
Die individuelle Zurechenbarkeit der jeweiligen öffentlichen Leistung liegt in der spezifischen Beziehung zwischen der Staatsleistung und dem einzelnen Abgabepflichtigen. Dabei wird von einer Finanzierungsverantwortung des Abgabenpflichtigen gesprochen. Die öffentliche Leistung bzw. der öffentliche Aufwand müssen durch den jeweiligen Schuldner individuell veranlasst worden sein oder der Schuldner einen eigenen Vorteil aus der Leistung erlangen. Die Finanzierungsverantwortung ist zu bejahen, wenn die öffentliche Leistung im Interesse des Abgabenschuldners liegt.
[…]
Die öffentlich-rechtliche Leistung muss auf die Entscheidung des Abgabepflichtigen zurückzuführen sein.1526 Das Bundesverfassungsgericht ging erst im Rahmen der Beurteilung der Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit gem. Art. 3 Abs. 1 GG auf die besondere Finanzierungsverantwortung ein.1527
Seite 288
Entscheidend für den finanzverfassungsrechtlichen Gebühren- und Beitragsbegriff ist eine öffentliche Leistung und ein daraus resultierender Sondervorteil, der den jeweiligen Abgabenschuldnern individuell und konkret zugerechnet werden kann. Eine besondere Finanzierungsverantwortung bei den Gebühren- oder Beitragsschuldnern muss zwingend festgestellt werden. Dass eine solche Finanzierungsverantwortung auch bei einer unbestimmten Vielzahl von Personen festgestellt werden kann, ist nicht zu beanstanden. Der finanzverfassungsrechtliche Gebühren- und Beitragsbegriff orientiert sich nicht an einer bestimmten Zahl von möglichen Abgabepflichtigen. Daher ist der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass sich die Feststellung eines besonderen Vorteils nicht an die Stellung der Abgabepflichtigen im Vergleich zur Allgemeinheit orientiere, grundsätzlich zuzustimmen. Entscheidend ist die besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen und nicht die in irgendeiner Art gelegene Stellung der Abgabepflichtigen zu der Allgemeinheit. Allerdings bedingt die sachliche Rechtfertigung der Vorzugslasten die Abgrenzbarkeit der Abgabepflichtigen von der Allgemeinheit. Die Belastung der zugleich Steuerpflichtigen mit Vorzugslasten rechtfertigt sich gemäß der finanzverfassungsrechtlichen Ordnung ausschließlich aus dem Gegenleistungscharakter und eine daraus resultierende besondere Verbindung zwischen Abgabepflichtigen und der öffentlichen Leistung.
[…]
Im ersten Teil der Arbeit wurde bereits herausgearbeitet, dass von einer individuell zurechenbaren Leistung ausschließlich ausgegangen werden kann, wenn eine Gruppe von Leistungsempfängern, die durchaus groß sein kann, gegenüber der Allgemeinheit abgrenzbar ist.1545 Ansonsten kann auch nicht mehr von einem „Sondervorteil“ gesprochen werden.
Seite 302-303
Es wird lediglich deutlich, dass die Rundfunkbeitragspflicht an die Inhaberschaft einer Wohnung, Betriebsstätte, eines Hotel- oder Gästezimmers, einer Ferienwohnung und eines betrieblichen Kraftfahrzeugs knüpft. Welche öffentliche Gegenleistung der Rundfunkbeitragspflicht entsprechend gegenübersteht und die besondere Zurechnung zum Beitragspflichtigen ergibt sich aus dem Abgabetatbeständen jedoch nicht.1595
[…]
„Der Rundfunkbeitrag dient der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks i. S. v. § 34 des Medienstaatsvertrages sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 112 des Medienstaatsvertrages.“
[…]
Somit ergibt sich aus § 1 RBStV i. V. m. § 34 Abs. 1 MStV, dass der Rundfunkbeitrag insbesondere der Deckung der Kosten dient, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund der Aufgabenwahrnehmung i. S. d. klassischen Funktionsauftrags anfallen.
[…]
Die Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen ist zwingender Bestandteil der besonderen sachlichen Rechtfertigung einer Vorzugslast und muss sich dementsprechend auch in den Regelungen niederschlagen. Inwiefern die Inhaber einer Wohnung, Betriebsstätte, eines Hotel-, Gästezimmers, einer Ferienwohnung oder eines betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs jedoch im Besonderen für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Aufgaben gem. § 112 MStV verantwortlich sind, wird aus den Regelungen des Rundfunkbeitrags-, Rundfunkfinanzierungs- und Medienstaatsvertrags nicht ersichtlich. Es ist weder nachvollziehbar, inwiefern den Wohnungs- und Betriebsstätteninhabern aus der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein besonderer Vorteil entsteht noch, inwiefern sie für die entsprechenden Kosten aus der öffentlichen Leistung verantwortlich sind.
Seite 304
Im nicht privaten Bereich wird zur Begründung der Beitragspflicht für Betriebsstätteninhaber nach § 5 Abs. 1 RBStV kein Hinweis auf eine besondere Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein sich daraus ergebender Vorteil gegeben. „Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht ist das Bestehen einer Betriebsstätte.“1604
Seite 305 – 309
In den Regelungen zum Rundfunkbeitrag ist nicht ersichtlich, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags an die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms und sich daraus ergebende Vorteile sowohl für Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber als auch für Inhaber von Ferienwohnungen, Hotel-, Gästezimmern und betrieblichen Kraftfahrzeugen knüpft. Wie bereits beschrieben, ergibt sich aus den Regelungen zum Rundfunkbeitrag lediglich, dass der Rundfunkbeitrag der Kostendeckung zur Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der in § 112 MStV genannten Aufgabenwahrnehmung dient. Welche Verbindung zwischen den Rundfunkbeitragspflichtigen und der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Aufgaben nach § 112 MStV besteht, bleibt allerdings ungeklärt.
Es ist nicht verständlich, dass die gesetzliche Verankerung der Verknüpfung der finanziellen Belastung mit dem Zweck der Rundfunkbeitragspflicht und der öffentlichen Leistung aus den Befreiungstatbeständen nach § 4 sowie § 5 Abs. 4, 5 RBStV abzuleiten sei.1610 Aus § 4 RBStV ergeben sich die Befreiung und Ermäßigung der Beitragspflicht im privaten Bereich. Die Befreiung und Ermäßigung stellen jedoch ausschließlich auf soziale Gründe, wie Sozialhilfeempfänger, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen ab. Es wird aus der Norm jedoch nicht ersichtlich, dass die Befreiung eintritt, weil die jeweiligen Personen keine besondere Finanzierungsverantwortung durch einen individuellen Vorteil oder Kostenverursachung zukommt. Ein Umkehrschluss auf eine Verknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an einen besonderen Vorteil oder der Verursachung von Kosten durch die Rundfunkempfangsmöglichkeit kann dem Befreiungstatbestand im privaten Bereich nicht entnommen werden.
[…]
In der Gesetzesbegründung wird ein besonderer Härtefall unter anderem mit der objektiven Unmöglichkeit, Rundfunk über einen Übertragungsweg (Terrestik, Kabel, Satellit, Internet oder Mobiltelefon) zu empfangen beschrieben.1612 Jedoch fehlt es weiterhin an einer Verbindung zwischen den Wohnungs- und Betriebsstätteninhabern als Beitragspflichtige und dem Finanzierungszweck des Rundfunkbeitrags. Darüber hinaus wird im Befreiungstatbestand nach § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV als Beispiel für einen besonderen Härtefall, die Unterschreitung der Bedarfsgrenze für den Empfang von Sozialhilfen um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags angeführt. Damit wird verdeutlicht, dass mit der Bezeichnung „besonderer Härtefall“ ebenfalls in erster Linie die Befreiung vom Rundfunkbeitrag aus sozialrechtlichen Gründen abgedeckt werden soll. Die Befreiungsvorschriften im nicht privaten Bereich nach § 5 Abs. 4 und § 5 Abs. 5 Nr. 2 RBStV knüpfen an die Stilllegung der Betriebsstätte für drei zusammenhängende volle Kalendermonate und an das Fehlen eines eingerichteten Arbeitsplatzes an. Fraglich ist, wie aus diesen Befreiungsmöglichkeiten im nicht privaten Bereich im Umkehrschluss eine besondere Finanzierungsverantwortung aufgrund der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Inhaber von Betriebsstätten abgeleitet werden soll.
[…]
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass sich die finanzielle Belastung mit dem Zweck der Abgabe und mit einer öffentlichen Leistung im gesetzlichen Tatbestand hinreichend widerspiegelt, nicht gefolgt werden kann.1618 Im Abgabentatbestand zum Rundfunkbeitrag findet sich lediglich der Abgabenzweck der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 112 MStV wieder. Zweck des Rundfunkbeitrags ist daher die Kostendeckung zur Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags. Es mangelt jedoch an einer erforderlichen tatbestandlichen Verbindung zwischen dem Finanzierungszweck des Rundfunkbeitrags und der Beitragspflicht. Des Weiteren ist im Tatbestand des Rundfunkbeitrags nicht verankert, dass mit der Erhebung des Beitrags ein besonderer Vorteil, der aus der Nutzungsmöglichkeit von öffentlich-rechtlichen Programmangeboten folge, abgegolten werden soll.
[…]
Es muss eine Finanzierungsverantwortung der Rundfunkbeitragspflichtigen zur funktionsgerechten Finanzausstattung und der Aufgaben nach § 112 MStV bestehen.
Seite 311
Jedoch wird aus der Beschreibung des Zwecks des Rundfunkbeitrags gem. § 1 RBStV und dem Verweis auf § 112 MStV deutlich, dass der Rundfunkbeitrag ebenfalls der Finanzierung von Teilkosten für den privaten Rundfunk bzw. dem gesamten dualen Rundfunksystem dient. Die Rechtfertigung der Erhebung des Rundfunkbeitrags ergibt sich also nicht lediglich aus der Kostendeckung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern auch aus der Deckung von Teilkosten für den privaten Rundfunk. Wie bereits beschrieben, können mit Vorzugslasten jedoch ausschließlich öffentliche Leistungen finanziert werden. Die Finanzierung von Kosten für das Angebot des privaten Rundfunks könnte dementsprechend dem Beitragscharakter entgegenstehen.
Das Bundesverfassungsgericht erkannte in den Finanzierungszwecken des § 112 MStV eine dienende Funktion für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Seite 313
Es wurde bereits darauf eingegangen, dass aus dem Abgabentatbestand des Rundfunkbeitrags kein besonderer Belastungsgrund der Rundfunkbeitragsschuldner abgeleitet werden kann. Lediglich der Zweck des Rundfunkbeitrags, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrer Funktion der Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags mit ausreichend finanziellen Mitteln auszustatten und die Aufgaben nach § 112 MStV zu finanzieren, wurde aus den Regelungen in den Staatsverträgen der Länder entnommen. Ein Abgabenzweck, der aus dem gesetzlichen Tatbestand nicht abzuleiten ist, kann grundsätzlich auch nicht zur Begründung der Abgabenerhebung und -bemessung herangezogen werden.
[…]
Das Bundesverfassungsgericht führte aus den Regelungen zum Rundfunkbeitrag die Möglichkeit, das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen und einen sich daraus ergebenden Vorteil für die potentiellen Nutzer als sachlichen Rechtfertigungsgrund der Erhebung des Rundfunkbeitrags an. Daneben wurde ebenfalls die Finanzierungsfunktion für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwähnt, woraus allerdings keine Verbindung zu den Beitragspflichtigen erarbeitet wurde.1633
Seite 316
Entscheidend ist daher, dass zur Einordnung des Rundfunkbeitrags unter den finanzverfassungsrechtlichen Beitragsbegriff sowie zur Rechtfertigung der Erhebung und Bemessung des Rundfunkbeitrags zwingend ein individueller Vorteil bei den Beitragspflichtigen festgestellt werden muss, der sich von dem Nutzen für die Allgemeinheit unterscheidet.
Seite 317
Die Meinungsvielfalt liegt im Interesse der Allgemeinheit, und dementsprechend ist die Garantie des klassischen Funktionsauftrags nicht als ein Vorteil des einzelnen potentiellen Rundfunknutzers, sondern als ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil einzuordnen. Die Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion, den klassischen Funktionsauftrag zu gewährleisten, ist der Allgemeinheit der Steuerzahler möglich. Die Sicherung der Meinungsvielfalt kommt jedermann zugute, unabhängig von einer tatsächlichen Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms. Es kann sich daraus kein individueller Vorteil ergeben.1649
Seite 318
Somit ist festzustellen, dass der Vorteil aus der Nutzung des Programmangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Garanten des klassischen Funktionsauftrags der Allgemeinheit der Steuerzahler zukommt und nicht zur Einordnung des Rundfunkbeitrags unter den finanzverfassungsrechtlichen Beitragsbegriff herangezogen werden kann. Der gesamtgesellschaftliche Vorteil dient nicht zur sachlichen Rechtfertigung der Erhebung von Rundfunkbeiträgen nach dem Grundsatz der Belastungsgleichheit. Von der demokratischen Grundordnung auf die Erhebung von Abgaben zu schließen lässt eher die Annahme eines Charakters der Gemeinlast zu.1651
Seite 320
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der öffentlichen Leistung, die Meinungsvielfalt im Medium Rundfunk durch die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, ergibt sich im privaten Bereich kein Hinweis auf mögliche individuelle Vorteile, die eine Beitragspflicht finanzverfassungsrechtlich begründen könnten. Hinsichtlich der Beitragserhebung im nicht privaten Bereich sind noch gesonderte Betrachtungen erforderlich, auf die im Weiteren noch eingegangen werden.
Seite 323
Das Bundesverwaltungsgericht wies im Urteil vom 18. März 2016 zum Rundfunkbeitrag1680 darauf hin, dass bereits die Möglichkeit, ein Leistungsangebot nutzen zu können, einen ausgleichspflichtigen, individuellen Vorteil darstellen kann. „Allerdings reicht die Nutzungsmöglichkeit nicht aus, um für alle Personen, denen diese Möglichkeit rechtlich und tatsächlich eröffnet ist, einen Vorteil zu begründen.“1681
Seite 325
Entgegen der Annahme des Bundesverfassungsgerichts im Rundfunkbeitragsurteil reicht dementsprechend die reine Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weder im privaten noch im nicht privaten Bereich als sachlicher Rechtfertigungsgrund der Erhebung von Rundfunkbeiträgen aus. Unabhängig von der bloßen Nutzungsmöglichkeit muss festgestellt werden können, dass ein abgrenzbarer Personenkreis von der angebotenen öffentlichen Leistung nahezu geschlossen Gebrauch macht.1689
Seite 327
Von der reinen Nutzungsmöglichkeit muss jedoch auf die Tatsache geschlossen werden können, dass ein abgrenzbarer Personenkreis von der angebotenen öffentlichen Leistung nahezu geschlossen in den Raumeinheiten Gebrauch macht. Dies ist jedoch aus dem bloßen Vorhandensein von Empfangsgeräten in Haushalten, an Arbeitsplätzen und in Kraftfahrzeugen nicht zu entnehmen. Gerade die Mobilität der neuartigen Empfangsgeräte ermöglicht auch eine Nutzung außerhalb der Raumeinheiten. Von der bloßen Nutzungsmöglichkeit in den Raumeinheiten lässt sich dementsprechend auf keine besondere Finanzierungsverantwortung der Inhaber von Wohnungen, Betriebsstätten, Ferienwohnungen, Hotel- und Gästezimmern sowie betrieblichen Kraftfahrzeugen schließen.1700 Es lässt sich keine spezifische Beziehung zwischen Rundfunkbeitragspflichtigen und der Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als abzugeltenden Vorteil erkennen. Dies bemerkte auch das Bundesverfassungsgericht, als es die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weitere Begründung bewusst nicht anwendet und davon ausgeht, dass die bloße realistische Möglichkeit der Nutzung der öffentlichen Leistung oder Einrichtung ausreiche.
Seite 328
Vom Vorhandensein der Empfangsmöglichkeit in Wohnungen auf die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu schließen, ist nicht verständlich. Auch die Beschwerdeführer stellten fest, dass mit der Zahlung des Rundfunkbeitrags kein unmittelbarer Nutzen verbunden ist und das Vorhandenseins eines Rundfunkempfangsgerät in Raumeinheiten vorausgesetzt wird.1704 Eine Fiktion des Vorteils der beitragspflichtigen Personen oder bloße Vermutungen können nicht als Grundlage der individuellen Zurechenbarkeit dienen.
Seite 330
Dies deckt sich mit der Annahme, dass mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags die Gesamtheit der Vorteilsempfänger zur Zahlung herangezogen werden soll. Allerdings steht die Erhebung von Beiträgen von einem nicht abgrenzbaren Personenkreis nicht im Einklang mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben an die Vorzugslasten.
[…]
Der individuell zurechenbare Vorteil bedingt die Erhebung eines Beitrags von einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis. Daher ist den kritischen Stimmen zum Rundfunkbeitrag dahingehend beizupflichten. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags von der Allgemeinheit ist verfassungsrechtlich nicht haltbar.1714
Seite 332
Insgesamt ist festzuhalten, dass mit der Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an Raumeinheiten das Ziel verbunden war, sämtliche Vorteilsempfänger aus der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Zahlung gesetzlich zu verpflichten. Dem Anknüpfungspunkt der Rundfunkbeitragspflicht liegt dementsprechend ebenfalls die Feststellung zugrunde, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk der Allgemeinheit der Steuerzahler zukommt. Ein individueller Vorteil lässt sich nicht ableiten. Es besteht dahingehend keine spezifische Beziehung zwischen den Rundfunkbeitragspflichtigen und der öffentlichen Leistung aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebot.
Seite 334
Entscheidend für den Rundfunkbeitrag ist das Bestehen einer spezifischen Beziehung zwischen Beitragspflichtigen und der öffentlichen Leistung. In mehrfacher Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht das Verständnis eines sog. „Sondervorteils“ geprägt.
Seite 335
Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum 15. RÄndStV verdeutlicht, dass die Anknüpfung an die Raumeinheiten auf den Gedanken gründet, dass „der öffentlich-rechtliche Rundfunk der gesamten Gesellschaft nutzt“1739 Daher kommt es auch nicht auf die tatsächliche Rundfunknutzung an.
[…]
Hier wird die bereits aufgegriffene Eigenschaft des Rundfunkbeitrags deutlich, dass mit diesem die Allgemeinheit zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen werden soll.1741 Wenn der Allgemeinheit eine Nutzungsmöglichkeit zukommt, erübrigt sich dementsprechend auch die widerlegbare Vermutung.
Seite 337
Das meinungsvielfaltssichernde öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramm kommt der Allgemeinheit zugute. Es ergibt sich aus der Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen und zu nutzen, ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil.
Seite 338
Neben der Möglichkeit, eine öffentliche Leistung zu nutzen und dementsprechend Kosten zu verursachen, muss zwingend ein besonderes Interesse der Abgabepflichtigen treten. Ausschließlich dann kann von einer individuellen Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung i. S. d. Beitragsbegriffs ausgegangen werden.1746 Übertragen auf den Rundfunkbeitrag wurde ein Interesse allerdings bei der Allgemeinheit festgestellt. Es besteht kein irgendwie verankertes besonderes individuelles Interesse aus der Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Garant des klassischen Funktionsauftrags zu nutzen. Somit kann auch keine besondere Kostenverantwortung der Rundfunkbeitragspflichtigen festgestellt werden. Davon abgesehen ist zusätzlich auf Folgendes hinzuweisen: Es ist sehr fraglich, dass die Inhaber von Wohnungen, Betriebsstätten, Ferienwohnungen, Hotel und Gästezimmer sowie betrieblichen Kraftfahrzeugen die Kosten aus der Veranstaltung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und allem was damit verbunden ist, verursachen, da eine vorwiegende Nutzung in den Raumeinheiten bereits hinterfragt wurde.
Seite 339
Dies erkannte auch das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Erläuterung eines individuellen Vorteils im Rundfunkbeitragsurteil.1747 Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen der Nutzung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und den Kosten für die Veranstaltung der Rundfunkprogramme.
[…]
Eine besondere Finanzierungsverantwortung der Rundfunkbeitragspflichtigen kann in mehrfacher Hinsicht nicht festgestellt werden. Anhand des Versuchs, eine besondere Verbindung herzustellen, wird vielmehr deutlich, dass die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Interesse und in der Verantwortung der Allgemeinheit steht. Aus der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Garant des klassischen Funktionsauftrags kann sich kein individueller Vorteil neben dem Vorteil für die Gesamtgesellschaft ergeben, der eine besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen bedingt.
[..]
Abgesehen von der Tatsache, dass das zu finanzierende meinungsvielfaltssichernde Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keinen individuellen Vorteil begründen kann, haben die Landesgesetzgeber das Verständnis des finanzverfassungsrechtlichen Beitragsbegriffs in mehrfacher Hinsicht überdehnt.
Seite 340
Die bloße Nutzungsmöglichkeit einer öffentlichen Leistung steht regelmäßig der Allgemeinheit zu und kann dementsprechend keine individuelle Finanzierungsverantwortung implizieren. Des Weiteren liegt in der Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an Raumeinheiten der Umstand inne, dass die Allgemeinheit zur Zahlung herangezogen wird. Wohnungsinhaber sind regelmäßig die Allgemeinheit und auch Unternehmensinhaber halten regelmäßig eine Betriebsstätte und/oder ein betrieblich genutztes Kraftfahrzeug vor. Dass in den Regelungen zum Rundfunkbeitrag keine Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung der Rundfunknutzung in den Raumeinheiten verankert ist, steht auch nicht im Einklang mit dem finanzverfassungsrechtlichen Beitragsbegriff.
[…]
Ferner kann ein mittelbarer Vorteil aus einer öffentlichen Leistung nicht Gegenstand der Erhebung einer Vorzugslast sein.
Seite 345
Insgesamt ist festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht und auch die Landesgesetzgeber die Erhebung des Rundfunkbeitrags auf eine bloße Nutzungsmöglichkeit der öffentlichen Leistung auch im nicht privaten Bereich stützen. Vom Vorhandensein von geeigneten Rundfunkempfangsgeräten wird auf die Nutzungsgewohnheiten geschlossen. Es wurde bereits im Zusammenhang mit der Prüfung der Finanzierungsverantwortung der Rundfunkbeitragspflichtigen unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rundfunkbeitrag verdeutlicht, dass die bloße Nutzungsmöglichkeit noch keine spezifische Beziehung zwischen Abgabepflichtigen und öffentliche Leistung herstellen kann.
Seite 347
Insgesamt ist festzuhalten, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag vom 18. Juli 2018 hinsichtlich der finanzverfassungsrechtlichen Einordnung des Rundfunkbeitrags zu den Beiträgen nicht mit dem bisherigen Begriffsverständnis, welches im ersten Teil unter Abgrenzung von den Gebühren, Steuern und Sonderabgaben unter Heranziehung der vergangenen Judikatur erarbeitet wurde, im Einklang steht. Zumindest ist den Beschwerdeführern dahingehend zuzustimmen, dass es sich beim Rundfunkbeitrag finanzverfassungsrechtlich nicht um einen Beitrag handelt.
Seite 349
Allerdings wurde aus den Ausführungen vergangener Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichts, welche im Rundfunkbeitragsurteil auch zitiert wurden, erarbeitet, dass sich die Beitragspflicht nicht auf alle Bürger erstrecken kann. Ansonsten kann nicht mehr von einer individuellen Zurechnung einer öffentlichen Leistung bzw. einer besonderen Finanzierungsverantwortung gesprochen werden, da diese dann nicht besteht. Entscheidend ist der individuelle Vorteil aus einer öffentlichen Leistung für die Qualifizierung einer Abgabe als Vorzugslast. Neben individuellen Vorteilen können auch Vorteile für die Allgemeinheit entstehen. Diese müssen sich jedoch unbedingt voneinander unterscheiden. Vorteile der Allgemeinheit sind immer auch Vorteile des Einzelnen.1766
[…]
Das Gegenleistungsverhältnis einer Vorzugslast ist zugleich Abgrenzungsmerkmal zu den Steuern und besonderer sachliche Rechtfertigungsgrund. Es muss dementsprechend im Abgabentatbestand ausreichend zum Ausdruck kommen.1767
Seite 350
Aus den Regelungen zum Rundfunkbeitrag ergibt sich lediglich, dass der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und den Aufgaben gem. § 112 MStV dient. Eine Verknüpfung zwischen den Rundfunkbeitragspflichtigen und der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund eines besonderen Vorteils oder der Kostenverantwortung geht aus den Staatsverträgen nicht hervor. Die Grundsätze der Normenwahrheit und –klarheit wurden vom Gesetzgeber nicht eingehalten.
Seite 351
Die bloße Nutzungsmöglichkeit in Raumeinheiten, wie Wohnungen oder Betriebsstätten, kann keine Beitragspflicht begründen. Von der Nutzungsmöglichkeit muss auf die Tatsache geschlossen werden können, dass von dieser mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit durch einen Personenkreis auch Gebrauch gemacht wird. Dies kann sich allerdings nicht schon aus den statistischen Erhebungen zum Vorhandensein geeigneter Empfangsgeräte in Raumeinheiten ergeben: Vom Vorhandensein auf die Nutzungsgewohnheiten zu schließen, entbehrt schon allein deshalb jedweder Grundlage, weil gerade die Mobilität der neuartigen Empfangsgeräte Grundlage der Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war und keinen orts- bzw. raumgebundenen Konsum öffentlich-rechtlicher Rundfunkprogramme repräsentiert.
Seite 352
Mit der Bindung der Rundfunkbeitragspflicht an Wohnungen und Betriebsstätten wird deutlich, dass die Landesgesetzgeber die Allgemeinheit zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heranziehen möchten. Jeder hat die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen und einen Nutzen daraus zu ziehen, sei es mittelbar oder unmittelbar. Deshalb musste auch ein Anknüpfungspunkt der Beitragspflicht gesetzlich verankert werden, den die Allgemeinheit erfüllt und dem sie sich nicht entziehen kann.
[…]
Eine besondere Finanzierungsverantwortung der Rundfunkbeitragspflichtigen aus einer besonderen Kostenverantwortung konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Es besteht kein besonderes Interesse der Rundfunkbeitragspflichtigen für die öffentlichen Rundfunkprogramme. Grundsätzlich liegt dieses bei der Allgemeinheit. Des Weiteren besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen der Nutzung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und die Kosten für die Veranstaltung der Rundfunkprogramme.
Seite 360
Es ergibt sich aus einem meinungsvielfaltssichernden Rundfunkprogramm und der Sicherung der demokratischen Grundordnung ein Vorteil für die Allgemeinheit. Der freie Meinungs- und Willensbildungsprozess liegt im Interesse der gesamten Bevölkerung. Es kann sich aus einem Vorteil für die Allgemeinheit kein individueller Vorteil ergeben, der eine spezifische Beziehung zwischen Abgabepflichtigen und öffentliche Leistung und damit die Erhebung von Vorzugslasten neben der bereits bestehenden Steuerpflicht begründen kann.1797
Seite 372
Da eine Einordnung des Rundfunkbeitrags als Beitrag oder Gebühr ausgeschlossen werden kann, verbleiben lediglich die Abgabentypen der (Zweck-) Steuer und Sonderabgaben. Eine Einordnung als sonstige Abgabe oder Abgabe sui generis wird bereits von vornherein ausgeschlossen, da solche Abgaben im finanzverfassungsrechtlichen Abgabenkanon neben dem Auffangtatbestand der Sonderabgaben nicht gerechtfertigt werden können.1842
Seite 373
Das fehlende Gegenleistungsverhältnis einer Abgabe drängt zu allererst die Annahme auf, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um eine (Zweck-) Steuer handelt.1846 Teilweise wird angenommen, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund des Wechsels der Anknüpfung der Zahlungspflicht von der Inhaberschaft eines geeigneten Empfangsgeräts zum Innehaben einer Wohnung oder Betriebsstätte ihren Gegenleistungsbezug verloren habe.1847 Zum Teil wird jedoch betont, dass ein notwendiges individuelles Gegenleistungsverhältnis bereits im Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr nicht feststellbar war und somit schon die Rundfunkgebühr nicht als Vorzugslast eingeordnet werden konnte.1848
Seite 374
Die funktionsgerechte Finanzausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gem. § 1 RBStV der ausdrückliche Finanzierungszweck des Rundfunkbeitrags. Ausreichende Finanzierungsmittel müssen die Sicherung des klassischen Funktionsauftrags sowie die sonstigen Aufgaben gem. § 112 MStV abdecken.1851 Der Einordnung des Rundfunkbeitrags als Steuer steht ebenfalls die zweckgebundene Verwendung des Abgabenaufkommens nicht entgegen. Eine Zweckbindung ist nicht mit einem Gegenleistungsverhältnis einer Abgabe gleichzusetzen. Die Tatsache, dass die überschüssigen Einnahmen des Rundfunkbeitrags nach § 112 Abs. 3 S. 1 MStV nicht an die Abgabenschuldner ausgezahlt, sondern an die jeweiligen Landesrundfunkanstalten abgeführt werden, entspricht ebenfalls dem Steuerbegriffsmerkmal der Einnahmenerzielung. Die Regelung des § 112 Abs. 3 S. 1 MStV ist mit § 40 Abs. 3 S. 1 RStV a. F. hinsichtlich der Rundfunkgebühr gleichzusetzen.
Seite 378 – 380
Dieser Finanzierungszweck des Rundfunkbeitrags geht über eine bloße Mittelbeschaffung hinaus und galt bereits mit der Rundfunkgebühr als der Belastungsgrund der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung. Die Rundfunkgebühr konnte jedoch aufgrund einer fehlenden homogenen Gruppe der Abgabepflichtigen als Sonderabgabe materiellrechtlich nicht gerechtfertigt werden.
[…]
Zudem haben die Rundfunkbeitragspflichtigen kein besonderes gemeinsames Interesse am Sachzweck des Rundfunkbeitrags. Wird von der Tatsache abgesehen, dass die Rundfunkbeitragspflichtigen als die Allgemeinheit zu sehen sind, ist nicht verständlich, inwiefern die Inhaber von Wohnungen und Betriebsstätten ein besonderes gemeinsames Interesse an einem meinungsvielfältigen Rundfunkprogramm haben. Das Interesse liegt bei der Allgemeinheit.
[…]
Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Rundfunkbeitrag als Sonderabgabe formell verfassungsgemäß ist, jedoch materiellrechtlich den besonderen Anforderungen an diese Abgabe neben der gleichzeitig bestehenden Steuerpflicht nicht gerecht werden kann. Mit dem Rundfunkbeitrag wird keine homogene Gruppe zur Abgabenpflicht herangezogen, die sich von der Allgemeinheit durch eine gemeinsame Interessenlage abgrenzen lässt. Somit steht der Rundfunkbeitrag dem Grundsatz der Belastungsgleichheit entgegen und ist gem. Art. 3 Abs. 1 GG materiell verfassungswidrig. Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Sonderabgabe.
[…]
Die Einordnung als Steuer scheitert lediglich an dem Zufluss des Abgabenaufkommens in das selbstständige Sondervermögen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Es verbleibt der Auffangtatbestand der Sonderabgabe. Allerdings können die Rundfunkgebühr und der Rundfunkbeitrag den besonderen materiellen Rechtfertigungsgründen nicht gerecht werden. Sowohl Rundfunkgebühr als auch Rundfunkbeitrag sind als verfassungswidrige Sonderabgaben einzuordnen.
Seite 386
Weiterhin könnte die KEF als zuständige Behörde zur Ermittlung des Finanzbedarfs und des konkreten Anteils an der Einkommensteuer oder der Bemessung des pauschalen Betrags eingesetzt werden.1885 Eine solche Rundfunksteuer würde insbesondere das Erhebungs- und Vollzugsverfahren im Vergleich zum Rundfunkbeitrag erleichtern. Der Beitragsservice könnte seine Aufgaben vollständig auf die Finanzämter übertragen und entsprechend aufgelöst werden.
Seite 403
Der Rundfunkbeitrag kann nicht als Vorzugslast und damit weder als Gebühr oder Beitrag finanzverfassungsrechtlich eingeordnet werden. Eine Einordnung als Rundfunksteuer scheiterte an dem Begriffsmerkmal des Zuflusses zu einer Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft. Letztendlich ist der Rundfunkbeitrag mangels Einordnung als Steuer, Gebühr oder Beitrag nach dem finanzverfassungsrechtlichen Begriffsverständnis dem Auffangbecken der Sonderabgaben zuzuordnen. Allerdings hält der Rundfunkbeitrag den materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Erhebung von Sonderabgaben nicht stand. Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Sonderabgabe.